Tag der Provenienzforschung
Am 8. April 2020 wird dieses Jahr (wegen der Corona-Krise) online der Tag der Provenienzforschung begangen. Für die Museumskultur ist die Provenienzforschung zu einem wichtigen Baustein geworden. Im Hinblick auf die Wahrhaftigkeit moderner Wissenschaft gehört auch dazu, dass die Bestände auf Legitimität überprüft werden. Es geht schließlich auch und darum, illegalen Kulturguthandel zu verhindern und berechtigte Ansprüche Dritter auf das Eigentum an Kulturgut zu sichern und ggf. auch durchzusetzen.
Provenienzforschung bedeutet: Sich über die Geschichte des jeweiligen Kulturguts zu versichern. Das ist bei der Baudenkmalpflege in der Regel durch die Dokumentation in den Grundbüchern hinreichend möglich, manchmal helfen auch deren Vorgänger, die sog. Urbare und Stadtbücher, weiter.
Mit dem „material turn“, der Hinwendung der Wissenschaften zum Objekt, steht auch für die Bodendenkmalpflege das Objekt im Zentrum seiner Überlegung, wozu auch dessen Provenienz gehört. Wird das Objekt rechtswidrig ausgegraben und ohne wissenschaftliche Dokumentation in den Handel gegeben, so ist er für die Forschung verloren. Denn dann kann weder Befund noch Fundort als sicher gelten. Schlimmstenfalls wird das Objekt auch noch legendiert und so ein verzerrtes Geschichtsbild verursacht.
Über die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zum Schatzfund hat man sich lange in der Überzeugung hinweggesetzt, dass altertümliche Kulturgüter als sog. res extra commercium zu behandeln wären, d.h. als solche, die dem Rechtsverkehr entzogen wären. Das ist aber eben nicht der Fall. Viele Objekte in kleinere Museen sind vermutlich einem früheren (Mit-) Eigentümer entzogen worden, die heute nicht mehr ermittelbar sind. Diese Eigentumsübergänge dürften in der Regel im Wege der Ersitzung tatsächlich zum Eigentumsverlust geführt haben. Bei vielen anderen Objekten handelt es sich aber um nachrichtenlose Kulturgüter. Hier gilt es, mit der Provenienzforschung ein wenig mehr Licht ins Dunkle zu bringen. Denn die Provenienzforschung ist nicht nur für Gemälde alter Meister da.
Die wichtigsten Untersuchungsgegenstände der Provenienzforschung ist die Aufklärung der „Raubkunst“ aus der Zeit von 1933 bis 1945 und das Museumsgut aus kolonialen Kontexten. Auch wenn Rückgabeansprüche heute rechtlich nur bedingt durchsetzbar sind, versuchen die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen nach den sog. Washingtoner Prinzipien und im Austausch mit ausländischen Staaten faire Entscheidungen zu finden.
Das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege ist Kooperationspartner im Netzwerk Provenienzforschung in Niedersachsen. Es ist als Kulturgutschutzbehörde dafür zuständig, den Handel mit Kulturgut daraufhin zu überwachen, dass die Erwerbungen und Veräußerungen, in Zusammenarbeit mit dem Zoll auch die Ein- und Ausfuhr von Kulturgut mit den notwendigen Unterlagen erfolgt und dass die Provenienz durch die Händler sorgfältig ermittelt wurde. Im Rahmen seiner Zuständigkeit und Möglichkeiten unterstützt das NLD die Provenienzforschung anderer Einrichtungen.Für das Archivgut ist in Niedersachsen die Staatskanzlei zuständig.
Am 8. April findet ab 10 Uhr im Folkwang-Museum Essen eine digitale Übertragung der Provenance Performance „Die Hohepriesterin im Gelmeroda Hochgebirge“ statt. Die Live-Übertragung bei YouTube beleuchtet dabei die Provenienzforschung der Gemälde von Lyonel Feininger und Heinrich Bürkel: https://www.museum-folkwang.de.
Präkolumbischer Tonkopf (Darstellung etwa 1,25-fach vergrößert), nach 200 n. Chr., vmtl. aus einer Raubgrabung bei Téotihuacan, 2017 vom NLD bei der Einfuhr sichergestellt, 2018 an Mexiko zurückgegeben (© NLD).