Ausgrabung einer germanischen Siedlung in Lingen-Baccum
Seit April 2021 graben Archäologen in Lingen-Baccum eine germanische Siedlung aus. Notwendig wurde diese Rettungsgrabung durch ein geplantes Gewerbegebiet, dessen Bau das Bodendenkmal akut bedroht hätte. Hinweise auf eine archäologische Fundstelle ergaben sich aus der Lage. Es gab in unmittelbarer Nähe mehrere Megalithgräber, im Volksmund auch Hünengräber genannt, eine historische Fernstraße und weitere Anzeiger dafür, dass es sich bei dem Baugebiet um seit Jahrhunderten genutztes Kultur- und Siedlungsland handelt. Eine stichprobenartige Untersuchung des Geländes erbrachte die Reste mehrerer Pfostenbauten, dadurch ergab sich die Notwendigkeit für eine größere archäologische Grabung.
Bei der laufenden, noch nicht abgeschlossenen Grabung wurden inzwischen die Reste von 14 Hauptgebäuden und über 50 kleineren Nebengebäuden aufgedeckt. Diese Befunde fügen sich in das Bild das Archäologen von germanischen Siedlungen der Eisenzeit und römischen Kaiserzeit heute gewonnen haben, und wie es antike Autoren zeichneten: Im Gegensatz zu Gallien, das geprägt war von Städten und Dörfern, lebten die Germanen auf oft einzeln gelegenen Gehöften, schrieb z.B. auch Julius Caesar in seinem Bello Gallico. Die Höfe bestanden aus dem Langhaus, oft ein Wohnstallgebäude für Mensch und Vieh und kleineren Nebengebäuden für Arbeiten wie Weben und Schmieden oder zum Anlegen von Vorräten. Die Höfe leben von Selbstversorgung, sogar Eisen wurde vor Ort verhüttet. Errichtet wurden die Häuser in der Regel in Fachwerkbauweise an einem Holzgerüst dessen tragenden Pfosten direkt in das Erdreich eingelassen wurden. Das beschränkte die Lebensdauer. Die 14 Hauptgebäude bestanden daher wohl nicht gleichzeitig. Eine genaue Abfolge der Gebäude ist allerdings schwer auszumachen, denn eine Siedlungsabfolge in Schichten, wie man sie aus orientalischen Siedlungen kennt, fehlt in der norddeutschen Tiefebene.
Anhand von Keramikfunden lässt sich der bisher ausgegrabene Teil der Siedlung auf die Zeit von 300 v. Chr. bis ins 2./3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bestimmen. Außerdem zeigt die Keramik engen Beziehungen der Menschen, die dort lebten in die südlichen Niederlande, nach Flandern und an die friesische Nordseeküste.
Einzelne Keramikscherben und Feuersteinwerkzeuge zeigen auch, dass nicht erst die Germanen der Eisenzeit hier siedelten, sondern bereits die ersten Bauern in Norddeutschland, Angehörige der sogenannten Trichterbecherkultur in Baccum ihre Spuren hinterließen.
Die bisher sehr erfolgreiche Grabung wird voraussichtlich bis zum Spätsommer andauern.