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Archäologischen Ausgrabungen am Bohlenweg Pr 6 haben begonnen


Die Ausgrabung und Erkundung des Weges sind Teil des Projektes »Naturerlebnis am prähistorischen Bohlenweg im Aschener/Heeder Moor«, das vom Verein »Naturpark Dümmer« getragen und mit Hilfe des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und mehreren Fördern finanziert wird. Unterstützung erfolgt auch durch verschiedene lokale Kulturinstitutionen (Industriemuseum Lohne, dem Dümmer-Museum Lembruch, dem Europäischen Fachzentrum Moor und Klima und dem Heimatmuseum Aschen). Fachlich wird die Ausgrabung vom Referat Moorarchäologie des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) begleitet.

Bohlenweg Pr 6   Bildrechte: NLD

Das 520 m lange Teilstück des Weges, das in den kommenden drei Jahren ausgegraben wird, lässt sich als Folge von Torfabbau und der geplanten, unter dem Höhenniveau des Bohlenweges liegenden Wiedervernässung des Moores nicht an Ort und Stelle bewahren. Daher wird der Weg im Rahmen einer Notbergung ausgegraben. Im Zuge der Grabungen durch die in Vechta ansässige Grabungsfirma denkmal3D werden aber die neuesten Methoden zur Dokumentation eingesetzt. Mit den qualitätvollen 3D-Ansichten wird es anschließend möglich sein, den Weg zumindest virtuell wiederauferstehen zu lassen.

Das Ausgrabungsprojekt ist das größte, das seit Jahrzehnten an einem Bohlenweg stattgefunden hat. Dabei sind nicht nur neue archäologische Funde zu erwarten, die gewonnenen Daten werden auch neue Informationen zur Landschaft und Landnutzung vor 2.000 Jahren beinhalten.

Das Ziel des Projektes ist es, die Ergebnisse der Ausgrabung erlebbar zu machen. Eine moderne Rekonstruktion des Bohlenweges soll in Form einer 1 km langen »Moorloipe«, zu einer Aussichtsplattform führen, von der aus ein Stück natürlich erhaltene Moorfläche, die sogenannte »Heile-Haut-Fläche« überblickt werden kann, in der der Bohlenweg auch in Zukunft erhalten bleiben wird. Am Wegesrand der Moorloipe sollen breitgefächerte Informationen über die kulturhistorische Bedeutung des Weges, den Lebensraum Moor sowie die Bedeutung des Moores für den Klimaschutz vermittelt werden.

Am Montag, den 8. Juli, um 14:30 Uhr, besteht die Möglichkeit, den Archäologen über die Schulter zu schauen und vor Ort ein frisch aufgedecktes Teilstück des Weges zu begutachten. Die Moorarchäologin des NLD, Dr. Marion Heumüller, erläutert die Ausgrabungssituation. Die Grabungsfirma denkmal3d demonstriert den Einsatz neuer Techniken (Treffpunkt: Ossenbecker Moorweg, gegenüber der »Heile-Haut-Fläche« (Achtung: Auf dem letzten Stück ist der Ossenbecker Moorweg sehr holprig, ggf. müssen die letzten 500 m zu Fuß zurückgelegt werden).


Hintergrund:

Über Jahrtausende prägten Moore die Landschaften Nordwesteuropas. Gerade die vermoorte Geestniederung, die sich zwischen Lohne und Diepholz und dem Dümmer See im Süden erstreckt, ist für die Moorarchäologie eine in dieser Form einmalige Fundregion. Der ausgedehnte Moorkomplex erreicht in Nord-Süd-Richtung eine Länge von fast 50 km, während er in Ost-West-Richtung stellenweise eine Breite von nur 2–3 km aufweist. Durch diese extrem langschmale Form bildete das Moor eine ausgeprägte Barriere, die die zu beiden Seiten des Moores gelegenen Landstriche voneinander trennte. Seit der Steinzeit suchten die Menschen dieses Hindernis mit dem Bau von Bohlenwegen zu überbrücken – bis heute wurden 20 solcher Wege aus der Zeit zwischen ca. 3.000 v. Chr. und dem 3. Jahrhundert n. Chr. bekannt. Ihr Bau bildete die einzige Möglichkeit, um die Moore mit einer gewissen Sicherheit zu betreten und zu überqueren. Zugleich sind die Moorwege fast die einzigen Überbleibsel vorgeschichtlicher Wegenetze und daher eine bedeutende Quelle für die Verkehrsgeschichte.

Der Bohlenweg Pr 6, der das Moor über eine mehr als vier Kilometer lange Strecke durchquerte, zählt zu den längsten Bohlenwegen Nordwestdeutschlands. Er führte von der Südseite eines weit ins Moor ragenden Mineralbodensporns, der Lindloge, in südwestliche Richtung auf eine nördlich von Kroge gelegene mineralische Erhebung zu. Der um 50 v. Chr. gebaute Weg hebt sich durch seine Länge, seine abwechslungsreiche Konstruktionsweise sowie durch die Qualität der hier gemachten Funde – u. a. Räder unterschiedlicher Konstruktionsweise, Reste von Woll- und Lederbekleidung, Holzwerkzeuge, Keramikbruchstücke sowie aufwendig geglättete und geschnitzte Holzstäbe, die vermutlich als Messstäbe verwendet wurden – von den meisten der bekannten Moorwege Niedersachsens ab. Im verwendeten Holz selbst verbergen sich zahlreiche weitere Informationen. Neben einer jahrgenauen Datierung und der Bestimmung von Bau- und Reparaturphasen ermöglichen dendroökologische Analysen Aussagen zur Umwelt, zum Waldbestand und der Waldwirtschaft zur Bauzeit des Weges und der vorangegangenen Jahrzehnte. Daher wird ein Großteil der verwendeten Hölzer für weitere Analysen verprobt. Gut erhalte Teilstücke des Weges sollen am Stück für die Präsentation im Museum konserviert werden.

Die niedersächsischen Moorgebiete sind mit ihren besonderen Erhaltungsbedingungen für organische Materialien herausragende und einmalige Kulturarchive. Für die vorgeschichtlichen Menschen bildeten die Moore räumliche Hindernisse, aber auch Räume für den Kontakt mit der spirituellen Sphäre und Orte ritueller Handlungen, Rückzugsgebiete und Jagd- und Sammelreviere. Dementsprechend vielfältig ist das Spektrum der in den Mooren erhaltenen Objekte. Es umfasst aus Holz gebaute Wege, Rad- und Wagenbruchstücke, Einbäume, Siedlungen und Lagerplätze, im Moor deponierte Gegenstände, hölzerne Kultfiguren, Moorleichen oder Leder- und Wollkleidung. Das Alter einiger Funde reicht 10.000 Jahre zurück.

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