Das System Denkmalpflege
Gesprächsrunde zum guten Umgang mit dem Kulturerbe in Niedersachsen
Planungsbesprechung mit Denkmalpflegerinnen und Denkmalpflegern in Hannover zum Kloster Lüne in den 1960er-Jahren
Die niedersächsischen Kulturdenkmale prägen das kulturelle Selbstverständnis unseres Landes in besonderer Weise, ihre Erhaltung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gerade in einer Zeit rapider Veränderungen ist das baukulturelle Erbe geeignet, Identität zu schaffen und sehr unterschiedliche Teile unseres Gemeinwesens zusammenzuführen. Das Leitbild Denkmalpflege im Sinne der Nachhaltigkeit unserer gebauten Umwelt berührt darüber hinaus ein wichtiges Zukunftsthema für unsere Gesellschaft.
Um ihrem Auftrag zukunftssicher nachzukommen, muss und will sich die Denkmalpflege immer wieder in einen öffentlichen Diskurs begeben. Im Juli 2019 hat sich daher unter dem Titel „System Denkmalpflege“ ein Runder Tisch zur Denkmalpflege in Niedersachsen konstituiert, dem Vertreterinnen und Vertreter der verschiedensten Interessengruppen angehören – von den Landeskirchen und dem Niedersächsischen Heimatbund über Handwerks- und Architektenkammern bis hin zu Wohnungswirtschaft, kommunalen und Grundbesitzerverbänden etc. Ziel ist es, die breite gesellschaftliche Akzeptanz von Denkmalschutz und Denkmalpflege zu erhöhen. Dazu werden in einem Dialog Problemfelder und notwendiger Regelungsbedarf identifiziert, gemeinsam Lösungsansätze entwickelt, die Handhabung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetztes transparenter gemacht und so insgesamt ein Mehrwert erzeugt.
Im Januar 2021 zogen stellvertretend für verschiedene Akteure Rita Hoheisel, Abteilungsleiterin Bauund Kunstpflege der Klosterkammer Hannover, Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen e.V., und Martin Krause, Leiter des Amts für Bau- und Kunstpflege Hannover der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, gemeinsam mit NLD-Präsidentin Christina Krafczyk eine erste Bilanz.
Zum 40. Jubiläum des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes wurde 2019 auf Anregung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur mit dem „System Denkmalpflege“ ein Runder Tisch zur Denkmalpflege in Niedersachsen initiiert. Erzählen Sie uns, wie es dazu kam.
Christina Krafczyk: In Niedersachsen verstehen wir das „System Denkmalpflege“ als das Zusammenspiel einer Vielzahl von Beteiligten auf der Denkmalbaustelle: Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer, staatliche und kirchliche Bauverwaltungen, die beratende und forschende Denkmalfachbehörde, 101 kommunale und eine staatliche Oberste Denkmalschutzbehörde im Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Planungsinstitutionen sowie zahlreiche Stiftungen, Vereine und wissenschaftliche Einrichtungen. Diese übernehmen verschiedene Rollen wie beispielsweise die Bauherrenfunktion, die Aufgabe von Planung und Ausführung, die Vertretung des Denkmalschutzes oder die Beteiligung eines erweiterten Partnerfelds. Im Laufe der letzten 40 Jahre haben sich im Umgang mit dem Kulturerbe verbindliche Standards und klare Verfahrensabläufe etabliert. Dennoch sind die verschiedenen Blickwinkel und Einzelinteressen dadurch nicht automatisch harmonisiert. Und es gibt zahlreiche andere öffentliche Belange, die es zu berücksichtigen gilt, beispielsweise die Themen Brandschutz oder Energieeffizienz, um nur einige der oftmals zunächst widerstreitend erscheinenden öffentlichen Interessen im Kontext der Denkmalpflege zu benennen. Für alle Beteiligten im „System Denkmalpflege“ ist es deshalb wichtig, dass wir uns stetig darüber austauschen, wie wir das gemeinsame Interesse an der Erhaltung des kulturellen Erbes verfolgen können.
Cornelia Höltkemeier: Aus Sicht der Bau- und Ausbauverbände bestand und besteht der Wunsch, das Thema „Denkmalpflege“ in den Köpfen der Betriebe enger zu verknüpfen mit der Aufgabe „Arbeiten im Bestand“. Viele Betriebe verfügen hier über hervorragende Kompetenzen, trauen sich aber aus verschiedenen Gründen nicht, sich eindeutig als geeignete Fachfirma zu melden, sich fortzubilden, um formale Qualifikationen zu erwerben und sich zu vernetzen.
Frau Krafczyk, was waren die Ziele, die die Politik und das NLD mit diesem neuen Format verfolgten?
Christina Krafczyk: Es gehört zu den vornehmsten Aufgaben einer modernen Denkmalpflege, die Art und Weise des gelebten Denkmalschutzes im Kontext aktueller Forschung und gesellschaftlicher Randbedingungen zu evaluieren und, wo notwendig, anzupassen. Dazu liefert der Runde Tisch „System Denkmalpflege“ einen wichtigen Beitrag. In den ersten Arbeitstreffen wurden aus unterschiedlichen Blickwinkeln über Bedarfe, Intransparenzen und Defizite auf vielerlei Ebenen im Umgang mit dem Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz und im System Denkmalpflege bilanziert. Dieser Prozess ist selbstverständlich nicht abgeschlossen, aber wir haben inzwischen unterschiedliche Aktivitäten und Formate auf den Weg bringen können. In einer AG mit dem NHB und der Landeskirche Hannover soll beispielsweise eine Handreichung für Bauherren – als Ersteinsteiger in die Denkmalpflege – entwickelt werden, um Ängste und Vorbehalte auszuräumen und die positiven Aspekte und Chancen im Umgang mit Baudenkmalen aufzuzeigen. Ein weiteres wichtiges Format zur Transparenz auf der fachlichen, öffentlichen und wissenschaftlichen Ebene ist der Denkmalatlas Niedersachsen, der die Vielfalt der Kulturlandschaften in Niedersachsen und den hochkarätigen Denkmalbestand erstmals mit verschiedenen Rechercheoptionen online zugänglich macht und somit als Werkzeug für die Fachleute der Denkmalpflege und Baupraxis sowie für die Forschung zur Verfügung steht.
Um den Prozess besser zu strukturieren und die verschiedenen Interessen zu gliedern, wurden zu Beginn Arbeitsgruppen gebildet. Frau Höltkemeier, Frau Hoheisel, Herr Krause, schildern Sie uns die Perspektiven der Partnerinnen und Partner auf der Denkmalbaustelle. Welche Rolle spielen ihre Verbände bzw. Einrichtungen im „System Denkmalpflege“? Warum engagieren sie sich hier?
Rita Hoheisel: Die Klosterkammer betreut einen großen Gebäudebestand mit vielen Baudenkmalen. Da wir auch selbst planen und bauen, sind wir direkt auf der Denkmalbaustelle tätig. Für mich war es interessant, in der Arbeitsgruppe mit den anderen Eigentümervertreterinnen und -vertretern Erfahrungen und Gemeinsamkeiten zu identifizieren. Deutlich wurde, dass wir alle am guten, konstruktiven Miteinander mit den Denkmalfachbehörden sehr interessiert sind. Gleichzeitig möchten wir aber auch auf unsere Belange und Sorgen aufmerksam machen und Verbesserungspotenziale in der Zusammenarbeit aufzeigen.
Martin Krause: Die Arbeitsgruppe der Planenden, Ausführenden und Sachverständigen sieht sich tätig im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Auftraggeberseite und den Vorschriften, die von den Genehmigungsbehörden zu vertreten sind. Die in der Arbeitsgruppe vertretenen Stellen wünschen sich möglichst störungsfreie Planungs- und Ausführungsabläufe. Voraussetzung dafür ist eine offene und nachvollziehbare Kommunikation auf allen Seiten.
Cornelia Höltkemeier: Der Bereich Bauen im Bestand mit und ohne Denkmalbezug hat insbesondere mit Blick auf die immer engagierter geführte Diskussion um Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung: Nichts ist nachhaltiger, als ein denkmalgeschütztes Gebäude zu sanieren. Unser Ziel ist es, eben diesen Begriff der Nachhaltigkeit mit Inhalt zu füllen, ihn anfassbar zu machen. Aus unserer Baurechtsberatung und der Begleitung von Schlichtungsverfahren wissen wir, dass bei Umsetzung dieser nachhaltigen Projekte Verbesserungs- und Weiterbildungspotenzial bei allen Beteiligten besteht.
Wo genau sehen Sie Ansatzpunkte zum besseren Zusammenwirken auf einer Denkmalbaustelle?
Christina Krafczyk: Ich bin überzeugt davon, dass wir als Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger nur mit dem uns inhärenten interdisziplinären Ansatz auf den Baustellen mit privaten Bauherren, den kommunalen, staatlichen und kirchlichen Bauämtern, den Planenden und Ausführenden eine Diskussion auf Augenhöhe führen, mit möglichst geteilter Wertschätzung des Kulturerbes im Einzelfall und einer letztlich gemeinsamen Verpflichtung zur Erhaltung. Hier hilft jede Initiative, die das Augenmaß bewahrt. Gute Denkmalpflege ist immer auch gute Moderation und maßvolles Abwägen aller Interessen.
Rita Hoheisel: Die besten Ergebnisse auf der Denkmalbaustelle lassen sich nach unseren Erfahrungen erreichen, wenn Denkmalpflegerinnen, Eigentümer und Nutzerinnen sich als konstruktive Partner verstehen. Mit Ideen gegen den Leerstand und für die Weiterentwicklung der Baudenkmale. Hier sind kreative Lösungen gefragt. Wenn Wünsche zur Nutzung formuliert werden, die dem Baudenkmal abträglich sind, dann muss es darum gehen, Alternativen aufzuzeigen. Wenn nicht so, dann aber so. Das setzt eine breite Kompetenz auf vielen Gebieten wie z. B. dem Brandschutz oder der energetischen Sanierung voraus – und natürlich auch ausreichend Personal, das sich als Dienstleister für Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer versteht und diese unterstützt.
Martin Krause: Um Ergebnisse zu erzielen, die auch von der Bauherrschaft akzeptiert werden, sollte der Beratungsgedanke die Kommunikation bestimmen. Für ein gegenseitiges Verständnis ist die jeweils eingenommene Position möglichst konkret zu begründen.
Cornelia Höltkemeier: Das Zusammenspiel zwischen Auftraggeberin, Architekt, Handwerksunternehmen und Unterer Denkmalschutzbehörde beginnt bei der Ausschreibung und Bauvertragsgestaltung. Nur wenn hier alle Seiten klar kommunizieren, kommt man zu verlässlichen Grundlagen der Zusammenarbeit. Dies gilt sowohl für Fragen der (Um)Nutzung als auch für Fragen hinsichtlich denkmalschutzfachlicher Details wie Baumaterialien und Ähnlichem: Was will ich hier erreichen? Was ist machbar? An welchen Stellen müssen die Ursprungspläne vielleicht den technischen oder materialbezogenen Gegebenheiten angepasst werden? Auch in der Bauablauforganisation müssen die Kommunikationswege optimiert werden.
Frau Hoheisel, die Gruppe der Eigentümerinnen und Eigentümer hat einen Appell zur Verbesserung von Denkmalschutz und Denkmalpflege verfasst. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigen Herausforderungen, denen sich die Denkmalpflege stellen muss?
Rita Hoheisel: Baudenkmale können meiner Meinung nach nur überleben, wenn sie eine Nutzung haben. Auch in den vergangenen Jahrhunderten sind sie immer weiterentwickelt, umgebaut und umgenutzt worden, sonst hätten wir heute viele davon nicht mehr. Es muss nur behutsam gemacht werden. Die Nutzung muss zum Baudenkmal passen, darf es nicht überfordern. Gerade im ländlichen Raum ist bei vielen historischen Gebäuden die ursprüngliche Nutzung weggebrochen, es gilt eine neue zeitgemäße zu finden und Leerstand zu vermeiden. Veränderungen und manchmal natürlich auch Eingriffe in das Baudenkmal sind notwendig. Wir wünschen uns hier für den Prozess der Weiterentwicklung aufgeschlossene Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger, die uns kreativ und konstruktiv unterstützen, vielleicht auch mit Best-Practice-Beispielen, die auch mit der entsprechenden Fachkompetenz ausgestattet zu den aktuellen Fragen der energetischen Sanierung weiterhelfen können.
Kann es gelingen, Bauen im Bestand mit Denkmalschutzbezug als positiven Beitrag zur Nachhaltigkeitsdebatte zu etablieren?
Cornelia Höltkemeier: Das ist eine Aufgabe für alle Beteiligten, Kammern und Verbände eingeschlossen: Zunächst einmal müsste das Bewusstsein sowohl bei den planenden Architekten und Ingenieurinnen als auch bei den Partnern im Handwerk dafür geschärft werden, ihre Projekte professionell als „Referenz für Nachhaltigkeit“ darzustellen. Leider gibt es bislang zudem auch keine regionalen oder überregionalen Referenzdatenbanken, weder über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die jeweiligen Kammern oder Zentralverbände des Handwerks oder der Industrie. Und natürlich würde ich mir auch wünschen, dass bei Preisverleihungen der Fokus nicht nur auf den planenden Architektinnen und Ingenieuren liegt, sondern dass auch die Handwerksunternehmen nicht nur unter „ferner liefen“ in der Dankesrede erwähnt werden, sondern als Zeichen der Wertschätzung auch als Partner für die Umsetzung konkret einbezogen werden.
Martin Krause: Neben der historischen und bau- bzw. stadtgestalterischen Dimension des Bauens im Bestand und der Denkmalpflege sollte stärker als bisher auch die umweltpolitische Bedeutung der in den Baustoffen gebundenen Ressourcen (Graue Energie) hervorgehoben werden. Die Akzeptanz substanzerhaltender Planungsansätze kann dadurch zusätzlich gestärkt werden.
Christina Krafczyk: Es geht aus meiner Sicht darum, für einen gemeinsamen Blick auf das Ganze zu werben und aus dem Blickwinkel der Denkmalpflege aufzuzeigen, dass die bestehenden Strukturen bereits oft bewiesen haben, wie resilient sie sind, welche klugen individuellen Anpassungen im Einzelfall möglich sind und warum bestehende Gebäude bestimmte Bilanzierungen des Klimaschutzes längst erfüllen. So erzeugen Erhaltung und Umbau – normalisiert auf die Bezugsgröße einer Nutzflächeneinheit – um den Faktor vier geringere Umweltbelastungen als Abriss und Neubau. Schwerpunkte dürfen nicht mehr beim Abriss und Ersatzneubau liegen, sondern beim Sanieren, beim Umbauen und bei der Weiternutzung des Bestehenden. Anders als beim Neubau haben wir es beim Umgang mit Bestand mit einer Umkehrung der Planungsprozesse zu tun. Wir müssen notwendigerweise von den jeweiligen Gegebenheiten und Qualitäten des Bestehenden ausgehen. Die Denkmalpflege könnte in ihren methodischen Vorgehensweisen und ihrem Ansatz zur Wertschätzung und Werterhaltung des Bestehenden eine Vorreiterin und wesentliche Impulsgeberin für eine notwendige Umbauordnung sein – insbesondere in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung als wesentlich prägende Elemente gesellschaftlichen Handelns im Fokus stehen.
Inwieweit spielt fachliche Kompetenz auf den neuen Themenfeldern wie Energieeffizienz und Nachhaltigkeit (z. B. von Baumaterialien) hier eine Rolle?
Cornelia Höltkemeier: Eine entscheidende Rolle! Immer häufiger verknüpfen Eigentümerinnen und Eigentümer ihren Wunsch nach einer Sanierung im Bestand mit diesen Fragestellungen – natürlich auch mit Fragen nach „Umnutzungsmöglichkeiten“. Diese können derzeit nicht immer mit der erforderlichen Sachkunde und Schnelligkeit beantwortet werden, da die Rahmenbedingungen hierfür weder in Niedersachsen noch in den anderen Bundesländern so abgesteckt sind, dass verlässliche Aussagen schnell getroffen werden können. Dies erschwert die Kommunikation, macht derartige Projekte „schwierig“.
Martin Krause: Das Bauen im Bestand – insbesondere wenn zusätzlich denkmalpflegerische Aspekte zu berücksichtigen sind – stellt hohe Anforderungen an alle an der Planung und Ausführung Beteiligten. Auch in den Fachdisziplinen, z. B. Planung von Tragwerk und haustechnischen Anlagen, Bauphysik oder Brandschutz, sind spezifische Kenntnisse und Qualifikationen erforderlich, die durch eine entsprechende Ausbildung zu vermitteln sind.
Rita Hoheisel: Das Thema Klimaschutz und energetische Sanierung spielt eine sehr große Rolle, auch bei Baudenkmalen. Als Bauherr sind Sie per Gesetz gehalten, das Thema zu berücksichtigen und Maßnahmen zu ergreifen. Hier braucht es geschultes Personal auf dem Gebiet, um behutsam die Energieeinsparmöglichkeiten mit den Eigentümern auszuloten, auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit der eingesetzten Baustoffe. Unter Umständen sind Dämmmaterialien, die wir heute in gutem Glauben einsetzen, der Sondermüll von morgen.
Also besteht hier Ausbildungs- und Schulungsbedarf – wie könnte das umgesetzt werden?
Cornelia Höltkemeier: Richtig – hier gilt es klug zu überlegen, auf welchen Ebenen welche Inhalte vermittelt werden. Intelligent gemachte Tools könnten branchenübergreifend eingesetzt werden. Für den Bereich der dualen Ausbildung im Handwerk könnte ich mir z. B. eine Referenzdatenbank für Berufsschulen vorstellen: Eine baubegleitende Dokumentation von verschiedenen Denkmalschutzprojekten könnte – thematisch verstärkt an kritischen organisatorischen oder technischen Punkten – einen fachpraktischen Einblick geben und Neugier wecken, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen.
Martin Krause: Das Arbeitsfeld des Bauens im Bestand und die Denkmalpflege als Teilaspekt davon sollte ein ausreichendes Gewicht in der Ausbildung in den Hochschulen und im Handwerk haben. Daneben sind Angebote für eine berufsbegleitende Qualifikation zu schaffen bzw. bestehende Fortbildungsangebote zu fördern – ggf. unter Beteiligung von Kooperationspartnern.
Christina Krafczyk: Den Bereich der professionellen Weiterbildung im Hinblick auf Denkmalpflege, Bauwerkserhaltung und Ressourcenschonung inhaltlich breiter aufzustellen, besser zu vernetzen und damit in der Wahrnehmung und Wirkung zu stärken, ist ein zentrales Desiderat. Die wachsenden Aufgaben von Ressourcenmanagement, Bauwerkserhaltung und Bauen im Bestand begründen eine dringende Notwendigkeit der Verknüpfung mit der Weiterbildung im Bereich Denkmalpflege. Um entsprechende professionelle Kompetenzen für die Zukunftsaufgabe des ressourcenschonenden Bauens im Bestand zu bündeln, muss das an einer „Bestand-Denkmalpflege“ orientierte Weiterbildungsangebot nicht nur erheblich ausgeweitet, sondern in seiner sinnvollen Verknüpfung neu konzipiert werden. Mit einem Projekt, gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, wird das NLD, federführend für die im „System Denkmalpflege“ zusammenarbeitenden Akteurinnen und Akteure, ein beispielhaftes, nicht allein auf Niedersachsen bezogenes Konzept für regelmäßige Weiterbildungsmaßnahmen auf diesem geschilderten Gebiet entwickeln und mit Pilotveranstaltungen sowie ggf. Publikationen praktisch umsetzen.
Obwohl es Steuervorteile und spezielle Förderprogramme gibt, wird der Besitz eines Denkmals oftmals als wirtschaftliche Last empfunden. Was sollte hier verbessert werden?
Martin Krause: Allgemein gilt: Eigentum verpflichtet. Das Eigentum an einem Kulturdenkmal verpflichtet in besonderer Weise, da an dem Erhalt des Objekts ein öffentliches Interesse besteht. Der auf diese Weise geleistete Dienst an der Gesellschaft verdient Anerkennung und Dialogbereitschaft bei der Suche nach Lösungen im Fall von Zielkonflikten. Eine angemessene wirtschaftliche Nutzung ist die beste Garantie für den Erhalt eines Kulturdenkmals.
Rita Hoheisel: Durch Auflagen bei der Sanierung wird stark in das Eigentumsrecht eingegriffen. Die denkmalwerten Mehrkosten können erheblich sein. Sie sollten daher nicht nur steuerlich abzugsfähig sein, sondern auch mit Fördermitteln in der Verfügung der Kommunen in angemessener Höhe unterstützt werden. Denn Denkmalpflege kommt uns als Gesellschaft gesamtheitlich zugute. Eine denkmalpflegerische Maßnahme ist stets auch ein Statement zu der Frage, in was für einer Umwelt wir eigentlich leben wollen. Die meisten Menschen erfreuen sich an den schönen historischen Stadtkernen von Lüneburg oder Hameln. Und Sanierungsaufgaben an Baudenkmalen sind oft kleinteilig und kommen dabei regionalen Firmen zugute, dienen also in gewisser Weise auch der Wirtschaftsförderung. Die finanzielle Belastung für die Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer bei Sanierungen muss überschaubar bleiben. Das Land sollte hier erkennbar mit Förderungen unterstützen.
Ist dies ein guter Zeitpunkt, um für einen gemeinsamen Aufschlag in Sachen Denkmalpflege zu werben?
Cornelia Höltkemeier: Unbedingt, denn die Zeit drängt: Angesichts unserer nach wie vor soliden Baukonjunktur sind viele Betriebe derzeit sowieso schon gut ausgelastet. Da stehen Aufträge im Bereich der Denkmalpflege nicht immer oben auf der Liste, weil sie oftmals als technisch anspruchsvoll, in der Zusammenarbeit mit den Unteren Denkmalschutzbehörden und Architektinnen und Architekten als „nicht immer einfach“ und finanziell auch als nicht sonderlich attraktiv wahrgenommen werden. „Arbeiten im Denkmalschutz“ ist derzeit nicht mit besonderer Wertschätzung verbunden – zusätzlich zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege sollte auf allen Ebenen deutlich gemacht werden, welchen Beitrag Denkmalschutz und Denkmalpflege zur Nachhaltigkeitsdebatte leisten können. Filme zum Thema Denkmalsanierung und Baukultur gibt es in vielen anderen europäischen Ländern deutlich mehr als in Deutschland. Wenn wir an diesem Schatten- Dasein nichts ändern, wird sich die Situation verschärfen: Der Fachkräftemangel im Handwerk wird sich verstärken. Es gilt daher, rechtzeitig Ausbildungsbetriebe zu gewinnen, die sich auch im Bereich Bauen im Bestand mit Bezug zur Denkmalpflege engagieren.
Martin Krause: Das Bauen im Bestand und darunter auch die Denkmalpflege fügen sich ein in die globale und sehr aktuelle Diskussion des Klimaschutzes und können dadurch argumentativ gestützt werden.
Wie können wir die Wahrnehmung der Öffentlichkeit von Denkmalpflege, Denkmalschutz und Bauen im Bestand verbessern?
Rita Hoheisel: Bei großen Kirchen oder anderen herausragenden Gebäuden gibt es in der Gesellschaft meist einen breiten Konsens über den Status als Baudenkmal. Bei einem einfachen landwirtschaftlichen Stall ist es für viele aber unverständlich. Wichtig sind hier klare, nachvollziehbare Aussagen. Warum ist ein Baudenkmal ein Denkmal? Das muss verständlich gemacht werden und ist auch ein Stück Vermittlung unserer Geschichte. Erst wenn ich verstehe, was das Besondere, Schützenswerte an meinem Haus ist, kann ich verstehen, warum der Eingriff nicht gerade an dieser Stelle sein kann. Hier muss man transparent machen, dass Denkmalpflege nicht der subjektiven Einschätzung eines Einzelnen unterliegt. Oft kommt es in unterschiedlichen Regionen zu unterschiedlichen Handhabungen. Das erzeugt Unmut. Klare Begründungen und einheitliche Standards sind wichtig. Ein roter Faden muss erkennbar sein. Darum ist auch der Denkmalatlas so wichtig. Hier kann für jedermann leicht zugänglich diese Info gegeben werden. Die Arbeit daran sollte unbedingt verstetigt werden, und das benötigt eben Personalressourcen. Das NLD als Denkmalfachbehörde sollte den roten Faden vermitteln, der dann in den Unteren Denkmalschutzbehörden umgesetzt wird.
Cornelia Höltkemeier: Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass das Thema Denkmalpflege isoliert kaum von der Öffentlichkeit angenommen wird. Zu überlegen wäre, im Format eines Storytelling das denkmalgeschützte Objekt von Fall zu Fall in einen geschichtlichen, regionalen, archäologischen oder auch touristischen Rahmen einzubetten. Berichte aus der Region über ein allen bekanntes Gebäude würden erfahrungsgemäß zu mehr öffentlichem Interesse führen als z. B. eine Zusammenstellung aller renovierten Fachwerkhäuser in ganz Norddeutschland in einer Broschüre.
Martin Krause: Damit die Themen Bauen im Bestand und Denkmalpflege auf ein größeres Interesse in der Bevölkerung stoßen, ist durch die Thematisierung von Gestaltung, Architektur und Denkmalschutz im Schulunterricht zunächst für ein grundlegendes Verständnis zu sorgen. Die bestehenden Initiativen von Architektenkammern, Denkmalfachbehörden oder der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in dieser Richtung verdienen Unterstützung.
Christina Krafczyk: „Die Art wie wir das Kulturerbe heute nutzen, pflegen und schützen,“ so beschreibt es die Davos Declaration 2018 zum Leitthema Baukultur „wird entscheidend sein für die zukünftige Entwicklung einer gebauten Umwelt von hoher Qualität.“ Der Umgang mit dem Bestehenden, den hochwertigen Kulturdenkmalen sowie den nicht geschützten qualitätvollen Baubeständen wird kulturell und ökonomisch eine immer wichtigere Rolle einnehmen, wenn es um das Erreichen unserer Klimaziele geht. Wir müssen Vorurteile ausräumen und sichtbar machen, dass Denkmalpflege keine Nischendiskussion führt, sondern für langfristiges Denken, Resilienz und Dauerhaftigkeit steht.
Was ist Ihre Zwischenbilanz nach anderthalb Jahren „System Denkmalpflege“?
Rita Hoheisel: Der Impuls des NLD, sich hier gemeinsam auf den Weg zu machen, hat einen breiten Anklang gefunden. Viele unterschiedliche Partnerinnen und Partner aus dem Bereich der Denkmalpflege sind vertreten und bringen sich engagiert ein. Das ist sehr positiv und zeigt doch eine gemeinsame Zielsetzung. In unserer AG war uns sehr wichtig, Handlungsfelder aufzuzeigen, die optimiert werden können und daraus einen gemeinsamen Appell zur Verbesserung von Denkmalschutz und Denkmalpflege zu formulieren. Dies wurde sehr positiv aufgenommen und zeigt die Offenheit und Diskussionsbereitschaft aller Beteiligten an unserer gemeinsamen Denkmalbaustelle.
Cornelia Höltkemeier: Eines der Hauptverdienste des Systems Denkmalpflege war, dass sich viele Akteurinnen und Akteure erstmalig und sehr offen und motiviert zusammengefunden haben. Neben dem ursprünglichen Ziel, der Erarbeitung von Handreichungen, freue ich mich über die Einigkeit in folgender Frage: Das Thema „Bauen im Bestand“ muss stärker in den Fokus gerückt werden, wenn man die Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung des Denkmalschutzes verbessern will. Eine wichtige Forderung war daher die Verankerung des Themas in der universitären Ausbildung, eine andere das Thema Aus- und Weiterbildung, das im aktuellen Projekt mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ja jetzt umgesetzt wird. Martin Krause: Es wurde deutlich, dass es ein gemeinsames Anliegen der verschiedenen Interessengruppen ist, die Bedeutung des Bauens im Bestand und der Denkmalpflege stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken – auch als wirtschaftlich lohnendes Betätigungsfeld von Planenden und Ausführenden.
Wie geht es weiter?
Christina Krafczyk: Im Kontext des Systems Denkmalpflege entstand zunächst die Publikation von Uta Hassler „Bauen und Erhalten“. In einführenden Texten werden nicht nur etablierte Vorgehensweisen und Beispiele für Dokumentation, Analyse und Wissenserwerb, sondern auch generelle Fragen des Umgangs mit dem Bestand diskutiert: die Notwendigkeit von Qualitätsurteilen und die Verantwortung von Fachleuten und politischen Akteurinnen und Akteure für die gebaute Umwelt. Im Frühjahr werden wir das System Denkmalpflege mit Gesprächen in den Regionen Lüneburg, Oldenburg, Braunschweig und Hannover erweitern, um die zentralen Aussagen des Appells zu schärfen. Dann beginnt auch die Umsetzung des Projekts „Denkmalpflege, Bauwerkserhaltung und Ressourcenschonung: Konzeption und Umsetzung eines zielgruppenorientierten Weiterbildungsprogramms im ‚System Denkmalpflege‘“ mit einem Kick-off-Workshop. Darüber hinaus hoffen wir natürlich, uns im Laufe des Jahres auch wieder persönlich treffen zu können.
Zum Abschluss: 2021 feiert das Bundesland Niedersachsen das 75. Jubiläum seiner Gründung. Haben Sie einen Geburtstagswunsch für den guten Umgang mit dem Kulturerbe in der Zukunft und die Rolle der Denkmalpflege dabei?
Cornelia Höltkemeier: Ich wünsche allen Akteurinnen und Akteuren in Niedersachsen, die im Bereich Planung, Ausführung und Denkmalschutzvorgaben Verantwortung tragen, den Mut und die Bereitschaft, bisherige Modelle der Zusammenarbeit zu optimieren. Auf diese Weise kann die Denkmalpflege einen noch größeren Beitrag zu unseren Nachhaltigkeitsanstrengungen im Bereich der Bau- und Ausbauwirtschaft leisten.
Rita Hoheisel: Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, die konstruktive Zusammenarbeit, die Kreativität und die Offenheit für neue Lösungen auf dem Gebiet der Denkmalpflege zu verstärken, daneben verständliche, nachvollziehbare Standards zu schaffen und so gemeinsam die Vielfältigkeit unseres kulturellen Erbes in Niedersachsen zu erhalten. Unsere Baudenkmale sind ein hohes Gut, ein Wirtschaftsfaktor und hervorragende Beispiele für Nachhaltigkeit. Das Engagement, für ihren Erhalt zu sorgen, sollte es dem Land auch wert sein, dieses angemessen durch Fördermittel zu unterstützen.
Christina Krafczyk: Ich wünsche dem großartigen Kulturerbe Niedersachsens und denjenigen die damit umgehen weiterhin Unterstützung von Gesellschaft und Politik und die gemeinsame Bereitschaft, die Werte bewahren zu wollen. Ich wünsche mir, dass es uns gemeinsam gelingt, sichtbarer zu machen, wie vorausschauend und relevant denkmalpflegerisches Denken, Wissen und Handeln im Zusammenhang mit den brennenden aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Klimawandel und Ressourcenschonung ist. Damit könnte die positive Wahrnehmung der Denkmalpflege in der Gesellschaft verstärkt werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Tobias Wulf
Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 41. Jg. (2021), Heft 1, S. 2-12.
Um ihrem Auftrag zukunftssicher nachzukommen, muss und will sich die Denkmalpflege immer wieder in einen öffentlichen Diskurs begeben. Im Juli 2019 hat sich daher unter dem Titel „System Denkmalpflege“ ein Runder Tisch zur Denkmalpflege in Niedersachsen konstituiert, dem Vertreterinnen und Vertreter der verschiedensten Interessengruppen angehören – von den Landeskirchen und dem Niedersächsischen Heimatbund über Handwerks- und Architektenkammern bis hin zu Wohnungswirtschaft, kommunalen und Grundbesitzerverbänden etc. Ziel ist es, die breite gesellschaftliche Akzeptanz von Denkmalschutz und Denkmalpflege zu erhöhen. Dazu werden in einem Dialog Problemfelder und notwendiger Regelungsbedarf identifiziert, gemeinsam Lösungsansätze entwickelt, die Handhabung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetztes transparenter gemacht und so insgesamt ein Mehrwert erzeugt.
Im Januar 2021 zogen stellvertretend für verschiedene Akteure Rita Hoheisel, Abteilungsleiterin Bauund Kunstpflege der Klosterkammer Hannover, Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen e.V., und Martin Krause, Leiter des Amts für Bau- und Kunstpflege Hannover der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, gemeinsam mit NLD-Präsidentin Christina Krafczyk eine erste Bilanz.
Zum 40. Jubiläum des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes wurde 2019 auf Anregung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur mit dem „System Denkmalpflege“ ein Runder Tisch zur Denkmalpflege in Niedersachsen initiiert. Erzählen Sie uns, wie es dazu kam.
Christina Krafczyk: In Niedersachsen verstehen wir das „System Denkmalpflege“ als das Zusammenspiel einer Vielzahl von Beteiligten auf der Denkmalbaustelle: Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer, staatliche und kirchliche Bauverwaltungen, die beratende und forschende Denkmalfachbehörde, 101 kommunale und eine staatliche Oberste Denkmalschutzbehörde im Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Planungsinstitutionen sowie zahlreiche Stiftungen, Vereine und wissenschaftliche Einrichtungen. Diese übernehmen verschiedene Rollen wie beispielsweise die Bauherrenfunktion, die Aufgabe von Planung und Ausführung, die Vertretung des Denkmalschutzes oder die Beteiligung eines erweiterten Partnerfelds. Im Laufe der letzten 40 Jahre haben sich im Umgang mit dem Kulturerbe verbindliche Standards und klare Verfahrensabläufe etabliert. Dennoch sind die verschiedenen Blickwinkel und Einzelinteressen dadurch nicht automatisch harmonisiert. Und es gibt zahlreiche andere öffentliche Belange, die es zu berücksichtigen gilt, beispielsweise die Themen Brandschutz oder Energieeffizienz, um nur einige der oftmals zunächst widerstreitend erscheinenden öffentlichen Interessen im Kontext der Denkmalpflege zu benennen. Für alle Beteiligten im „System Denkmalpflege“ ist es deshalb wichtig, dass wir uns stetig darüber austauschen, wie wir das gemeinsame Interesse an der Erhaltung des kulturellen Erbes verfolgen können.
Cornelia Höltkemeier: Aus Sicht der Bau- und Ausbauverbände bestand und besteht der Wunsch, das Thema „Denkmalpflege“ in den Köpfen der Betriebe enger zu verknüpfen mit der Aufgabe „Arbeiten im Bestand“. Viele Betriebe verfügen hier über hervorragende Kompetenzen, trauen sich aber aus verschiedenen Gründen nicht, sich eindeutig als geeignete Fachfirma zu melden, sich fortzubilden, um formale Qualifikationen zu erwerben und sich zu vernetzen.
Frau Krafczyk, was waren die Ziele, die die Politik und das NLD mit diesem neuen Format verfolgten?
Christina Krafczyk: Es gehört zu den vornehmsten Aufgaben einer modernen Denkmalpflege, die Art und Weise des gelebten Denkmalschutzes im Kontext aktueller Forschung und gesellschaftlicher Randbedingungen zu evaluieren und, wo notwendig, anzupassen. Dazu liefert der Runde Tisch „System Denkmalpflege“ einen wichtigen Beitrag. In den ersten Arbeitstreffen wurden aus unterschiedlichen Blickwinkeln über Bedarfe, Intransparenzen und Defizite auf vielerlei Ebenen im Umgang mit dem Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz und im System Denkmalpflege bilanziert. Dieser Prozess ist selbstverständlich nicht abgeschlossen, aber wir haben inzwischen unterschiedliche Aktivitäten und Formate auf den Weg bringen können. In einer AG mit dem NHB und der Landeskirche Hannover soll beispielsweise eine Handreichung für Bauherren – als Ersteinsteiger in die Denkmalpflege – entwickelt werden, um Ängste und Vorbehalte auszuräumen und die positiven Aspekte und Chancen im Umgang mit Baudenkmalen aufzuzeigen. Ein weiteres wichtiges Format zur Transparenz auf der fachlichen, öffentlichen und wissenschaftlichen Ebene ist der Denkmalatlas Niedersachsen, der die Vielfalt der Kulturlandschaften in Niedersachsen und den hochkarätigen Denkmalbestand erstmals mit verschiedenen Rechercheoptionen online zugänglich macht und somit als Werkzeug für die Fachleute der Denkmalpflege und Baupraxis sowie für die Forschung zur Verfügung steht.
Um den Prozess besser zu strukturieren und die verschiedenen Interessen zu gliedern, wurden zu Beginn Arbeitsgruppen gebildet. Frau Höltkemeier, Frau Hoheisel, Herr Krause, schildern Sie uns die Perspektiven der Partnerinnen und Partner auf der Denkmalbaustelle. Welche Rolle spielen ihre Verbände bzw. Einrichtungen im „System Denkmalpflege“? Warum engagieren sie sich hier?
Rita Hoheisel: Die Klosterkammer betreut einen großen Gebäudebestand mit vielen Baudenkmalen. Da wir auch selbst planen und bauen, sind wir direkt auf der Denkmalbaustelle tätig. Für mich war es interessant, in der Arbeitsgruppe mit den anderen Eigentümervertreterinnen und -vertretern Erfahrungen und Gemeinsamkeiten zu identifizieren. Deutlich wurde, dass wir alle am guten, konstruktiven Miteinander mit den Denkmalfachbehörden sehr interessiert sind. Gleichzeitig möchten wir aber auch auf unsere Belange und Sorgen aufmerksam machen und Verbesserungspotenziale in der Zusammenarbeit aufzeigen.
Martin Krause: Die Arbeitsgruppe der Planenden, Ausführenden und Sachverständigen sieht sich tätig im Spannungsfeld zwischen den Bedürfnissen der Auftraggeberseite und den Vorschriften, die von den Genehmigungsbehörden zu vertreten sind. Die in der Arbeitsgruppe vertretenen Stellen wünschen sich möglichst störungsfreie Planungs- und Ausführungsabläufe. Voraussetzung dafür ist eine offene und nachvollziehbare Kommunikation auf allen Seiten.
Cornelia Höltkemeier: Der Bereich Bauen im Bestand mit und ohne Denkmalbezug hat insbesondere mit Blick auf die immer engagierter geführte Diskussion um Nachhaltigkeit eine besondere Bedeutung: Nichts ist nachhaltiger, als ein denkmalgeschütztes Gebäude zu sanieren. Unser Ziel ist es, eben diesen Begriff der Nachhaltigkeit mit Inhalt zu füllen, ihn anfassbar zu machen. Aus unserer Baurechtsberatung und der Begleitung von Schlichtungsverfahren wissen wir, dass bei Umsetzung dieser nachhaltigen Projekte Verbesserungs- und Weiterbildungspotenzial bei allen Beteiligten besteht.
Wo genau sehen Sie Ansatzpunkte zum besseren Zusammenwirken auf einer Denkmalbaustelle?
Christina Krafczyk: Ich bin überzeugt davon, dass wir als Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger nur mit dem uns inhärenten interdisziplinären Ansatz auf den Baustellen mit privaten Bauherren, den kommunalen, staatlichen und kirchlichen Bauämtern, den Planenden und Ausführenden eine Diskussion auf Augenhöhe führen, mit möglichst geteilter Wertschätzung des Kulturerbes im Einzelfall und einer letztlich gemeinsamen Verpflichtung zur Erhaltung. Hier hilft jede Initiative, die das Augenmaß bewahrt. Gute Denkmalpflege ist immer auch gute Moderation und maßvolles Abwägen aller Interessen.
Rita Hoheisel: Die besten Ergebnisse auf der Denkmalbaustelle lassen sich nach unseren Erfahrungen erreichen, wenn Denkmalpflegerinnen, Eigentümer und Nutzerinnen sich als konstruktive Partner verstehen. Mit Ideen gegen den Leerstand und für die Weiterentwicklung der Baudenkmale. Hier sind kreative Lösungen gefragt. Wenn Wünsche zur Nutzung formuliert werden, die dem Baudenkmal abträglich sind, dann muss es darum gehen, Alternativen aufzuzeigen. Wenn nicht so, dann aber so. Das setzt eine breite Kompetenz auf vielen Gebieten wie z. B. dem Brandschutz oder der energetischen Sanierung voraus – und natürlich auch ausreichend Personal, das sich als Dienstleister für Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer versteht und diese unterstützt.
Martin Krause: Um Ergebnisse zu erzielen, die auch von der Bauherrschaft akzeptiert werden, sollte der Beratungsgedanke die Kommunikation bestimmen. Für ein gegenseitiges Verständnis ist die jeweils eingenommene Position möglichst konkret zu begründen.
Cornelia Höltkemeier: Das Zusammenspiel zwischen Auftraggeberin, Architekt, Handwerksunternehmen und Unterer Denkmalschutzbehörde beginnt bei der Ausschreibung und Bauvertragsgestaltung. Nur wenn hier alle Seiten klar kommunizieren, kommt man zu verlässlichen Grundlagen der Zusammenarbeit. Dies gilt sowohl für Fragen der (Um)Nutzung als auch für Fragen hinsichtlich denkmalschutzfachlicher Details wie Baumaterialien und Ähnlichem: Was will ich hier erreichen? Was ist machbar? An welchen Stellen müssen die Ursprungspläne vielleicht den technischen oder materialbezogenen Gegebenheiten angepasst werden? Auch in der Bauablauforganisation müssen die Kommunikationswege optimiert werden.
Frau Hoheisel, die Gruppe der Eigentümerinnen und Eigentümer hat einen Appell zur Verbesserung von Denkmalschutz und Denkmalpflege verfasst. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigen Herausforderungen, denen sich die Denkmalpflege stellen muss?
Rita Hoheisel: Baudenkmale können meiner Meinung nach nur überleben, wenn sie eine Nutzung haben. Auch in den vergangenen Jahrhunderten sind sie immer weiterentwickelt, umgebaut und umgenutzt worden, sonst hätten wir heute viele davon nicht mehr. Es muss nur behutsam gemacht werden. Die Nutzung muss zum Baudenkmal passen, darf es nicht überfordern. Gerade im ländlichen Raum ist bei vielen historischen Gebäuden die ursprüngliche Nutzung weggebrochen, es gilt eine neue zeitgemäße zu finden und Leerstand zu vermeiden. Veränderungen und manchmal natürlich auch Eingriffe in das Baudenkmal sind notwendig. Wir wünschen uns hier für den Prozess der Weiterentwicklung aufgeschlossene Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger, die uns kreativ und konstruktiv unterstützen, vielleicht auch mit Best-Practice-Beispielen, die auch mit der entsprechenden Fachkompetenz ausgestattet zu den aktuellen Fragen der energetischen Sanierung weiterhelfen können.
Kann es gelingen, Bauen im Bestand mit Denkmalschutzbezug als positiven Beitrag zur Nachhaltigkeitsdebatte zu etablieren?
Cornelia Höltkemeier: Das ist eine Aufgabe für alle Beteiligten, Kammern und Verbände eingeschlossen: Zunächst einmal müsste das Bewusstsein sowohl bei den planenden Architekten und Ingenieurinnen als auch bei den Partnern im Handwerk dafür geschärft werden, ihre Projekte professionell als „Referenz für Nachhaltigkeit“ darzustellen. Leider gibt es bislang zudem auch keine regionalen oder überregionalen Referenzdatenbanken, weder über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die jeweiligen Kammern oder Zentralverbände des Handwerks oder der Industrie. Und natürlich würde ich mir auch wünschen, dass bei Preisverleihungen der Fokus nicht nur auf den planenden Architektinnen und Ingenieuren liegt, sondern dass auch die Handwerksunternehmen nicht nur unter „ferner liefen“ in der Dankesrede erwähnt werden, sondern als Zeichen der Wertschätzung auch als Partner für die Umsetzung konkret einbezogen werden.
Martin Krause: Neben der historischen und bau- bzw. stadtgestalterischen Dimension des Bauens im Bestand und der Denkmalpflege sollte stärker als bisher auch die umweltpolitische Bedeutung der in den Baustoffen gebundenen Ressourcen (Graue Energie) hervorgehoben werden. Die Akzeptanz substanzerhaltender Planungsansätze kann dadurch zusätzlich gestärkt werden.
Christina Krafczyk: Es geht aus meiner Sicht darum, für einen gemeinsamen Blick auf das Ganze zu werben und aus dem Blickwinkel der Denkmalpflege aufzuzeigen, dass die bestehenden Strukturen bereits oft bewiesen haben, wie resilient sie sind, welche klugen individuellen Anpassungen im Einzelfall möglich sind und warum bestehende Gebäude bestimmte Bilanzierungen des Klimaschutzes längst erfüllen. So erzeugen Erhaltung und Umbau – normalisiert auf die Bezugsgröße einer Nutzflächeneinheit – um den Faktor vier geringere Umweltbelastungen als Abriss und Neubau. Schwerpunkte dürfen nicht mehr beim Abriss und Ersatzneubau liegen, sondern beim Sanieren, beim Umbauen und bei der Weiternutzung des Bestehenden. Anders als beim Neubau haben wir es beim Umgang mit Bestand mit einer Umkehrung der Planungsprozesse zu tun. Wir müssen notwendigerweise von den jeweiligen Gegebenheiten und Qualitäten des Bestehenden ausgehen. Die Denkmalpflege könnte in ihren methodischen Vorgehensweisen und ihrem Ansatz zur Wertschätzung und Werterhaltung des Bestehenden eine Vorreiterin und wesentliche Impulsgeberin für eine notwendige Umbauordnung sein – insbesondere in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung als wesentlich prägende Elemente gesellschaftlichen Handelns im Fokus stehen.
Inwieweit spielt fachliche Kompetenz auf den neuen Themenfeldern wie Energieeffizienz und Nachhaltigkeit (z. B. von Baumaterialien) hier eine Rolle?
Cornelia Höltkemeier: Eine entscheidende Rolle! Immer häufiger verknüpfen Eigentümerinnen und Eigentümer ihren Wunsch nach einer Sanierung im Bestand mit diesen Fragestellungen – natürlich auch mit Fragen nach „Umnutzungsmöglichkeiten“. Diese können derzeit nicht immer mit der erforderlichen Sachkunde und Schnelligkeit beantwortet werden, da die Rahmenbedingungen hierfür weder in Niedersachsen noch in den anderen Bundesländern so abgesteckt sind, dass verlässliche Aussagen schnell getroffen werden können. Dies erschwert die Kommunikation, macht derartige Projekte „schwierig“.
Martin Krause: Das Bauen im Bestand – insbesondere wenn zusätzlich denkmalpflegerische Aspekte zu berücksichtigen sind – stellt hohe Anforderungen an alle an der Planung und Ausführung Beteiligten. Auch in den Fachdisziplinen, z. B. Planung von Tragwerk und haustechnischen Anlagen, Bauphysik oder Brandschutz, sind spezifische Kenntnisse und Qualifikationen erforderlich, die durch eine entsprechende Ausbildung zu vermitteln sind.
Rita Hoheisel: Das Thema Klimaschutz und energetische Sanierung spielt eine sehr große Rolle, auch bei Baudenkmalen. Als Bauherr sind Sie per Gesetz gehalten, das Thema zu berücksichtigen und Maßnahmen zu ergreifen. Hier braucht es geschultes Personal auf dem Gebiet, um behutsam die Energieeinsparmöglichkeiten mit den Eigentümern auszuloten, auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit der eingesetzten Baustoffe. Unter Umständen sind Dämmmaterialien, die wir heute in gutem Glauben einsetzen, der Sondermüll von morgen.
Also besteht hier Ausbildungs- und Schulungsbedarf – wie könnte das umgesetzt werden?
Cornelia Höltkemeier: Richtig – hier gilt es klug zu überlegen, auf welchen Ebenen welche Inhalte vermittelt werden. Intelligent gemachte Tools könnten branchenübergreifend eingesetzt werden. Für den Bereich der dualen Ausbildung im Handwerk könnte ich mir z. B. eine Referenzdatenbank für Berufsschulen vorstellen: Eine baubegleitende Dokumentation von verschiedenen Denkmalschutzprojekten könnte – thematisch verstärkt an kritischen organisatorischen oder technischen Punkten – einen fachpraktischen Einblick geben und Neugier wecken, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen.
Martin Krause: Das Arbeitsfeld des Bauens im Bestand und die Denkmalpflege als Teilaspekt davon sollte ein ausreichendes Gewicht in der Ausbildung in den Hochschulen und im Handwerk haben. Daneben sind Angebote für eine berufsbegleitende Qualifikation zu schaffen bzw. bestehende Fortbildungsangebote zu fördern – ggf. unter Beteiligung von Kooperationspartnern.
Christina Krafczyk: Den Bereich der professionellen Weiterbildung im Hinblick auf Denkmalpflege, Bauwerkserhaltung und Ressourcenschonung inhaltlich breiter aufzustellen, besser zu vernetzen und damit in der Wahrnehmung und Wirkung zu stärken, ist ein zentrales Desiderat. Die wachsenden Aufgaben von Ressourcenmanagement, Bauwerkserhaltung und Bauen im Bestand begründen eine dringende Notwendigkeit der Verknüpfung mit der Weiterbildung im Bereich Denkmalpflege. Um entsprechende professionelle Kompetenzen für die Zukunftsaufgabe des ressourcenschonenden Bauens im Bestand zu bündeln, muss das an einer „Bestand-Denkmalpflege“ orientierte Weiterbildungsangebot nicht nur erheblich ausgeweitet, sondern in seiner sinnvollen Verknüpfung neu konzipiert werden. Mit einem Projekt, gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, wird das NLD, federführend für die im „System Denkmalpflege“ zusammenarbeitenden Akteurinnen und Akteure, ein beispielhaftes, nicht allein auf Niedersachsen bezogenes Konzept für regelmäßige Weiterbildungsmaßnahmen auf diesem geschilderten Gebiet entwickeln und mit Pilotveranstaltungen sowie ggf. Publikationen praktisch umsetzen.
Obwohl es Steuervorteile und spezielle Förderprogramme gibt, wird der Besitz eines Denkmals oftmals als wirtschaftliche Last empfunden. Was sollte hier verbessert werden?
Martin Krause: Allgemein gilt: Eigentum verpflichtet. Das Eigentum an einem Kulturdenkmal verpflichtet in besonderer Weise, da an dem Erhalt des Objekts ein öffentliches Interesse besteht. Der auf diese Weise geleistete Dienst an der Gesellschaft verdient Anerkennung und Dialogbereitschaft bei der Suche nach Lösungen im Fall von Zielkonflikten. Eine angemessene wirtschaftliche Nutzung ist die beste Garantie für den Erhalt eines Kulturdenkmals.
Rita Hoheisel: Durch Auflagen bei der Sanierung wird stark in das Eigentumsrecht eingegriffen. Die denkmalwerten Mehrkosten können erheblich sein. Sie sollten daher nicht nur steuerlich abzugsfähig sein, sondern auch mit Fördermitteln in der Verfügung der Kommunen in angemessener Höhe unterstützt werden. Denn Denkmalpflege kommt uns als Gesellschaft gesamtheitlich zugute. Eine denkmalpflegerische Maßnahme ist stets auch ein Statement zu der Frage, in was für einer Umwelt wir eigentlich leben wollen. Die meisten Menschen erfreuen sich an den schönen historischen Stadtkernen von Lüneburg oder Hameln. Und Sanierungsaufgaben an Baudenkmalen sind oft kleinteilig und kommen dabei regionalen Firmen zugute, dienen also in gewisser Weise auch der Wirtschaftsförderung. Die finanzielle Belastung für die Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer bei Sanierungen muss überschaubar bleiben. Das Land sollte hier erkennbar mit Förderungen unterstützen.
Ist dies ein guter Zeitpunkt, um für einen gemeinsamen Aufschlag in Sachen Denkmalpflege zu werben?
Cornelia Höltkemeier: Unbedingt, denn die Zeit drängt: Angesichts unserer nach wie vor soliden Baukonjunktur sind viele Betriebe derzeit sowieso schon gut ausgelastet. Da stehen Aufträge im Bereich der Denkmalpflege nicht immer oben auf der Liste, weil sie oftmals als technisch anspruchsvoll, in der Zusammenarbeit mit den Unteren Denkmalschutzbehörden und Architektinnen und Architekten als „nicht immer einfach“ und finanziell auch als nicht sonderlich attraktiv wahrgenommen werden. „Arbeiten im Denkmalschutz“ ist derzeit nicht mit besonderer Wertschätzung verbunden – zusätzlich zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege sollte auf allen Ebenen deutlich gemacht werden, welchen Beitrag Denkmalschutz und Denkmalpflege zur Nachhaltigkeitsdebatte leisten können. Filme zum Thema Denkmalsanierung und Baukultur gibt es in vielen anderen europäischen Ländern deutlich mehr als in Deutschland. Wenn wir an diesem Schatten- Dasein nichts ändern, wird sich die Situation verschärfen: Der Fachkräftemangel im Handwerk wird sich verstärken. Es gilt daher, rechtzeitig Ausbildungsbetriebe zu gewinnen, die sich auch im Bereich Bauen im Bestand mit Bezug zur Denkmalpflege engagieren.
Martin Krause: Das Bauen im Bestand und darunter auch die Denkmalpflege fügen sich ein in die globale und sehr aktuelle Diskussion des Klimaschutzes und können dadurch argumentativ gestützt werden.
Wie können wir die Wahrnehmung der Öffentlichkeit von Denkmalpflege, Denkmalschutz und Bauen im Bestand verbessern?
Rita Hoheisel: Bei großen Kirchen oder anderen herausragenden Gebäuden gibt es in der Gesellschaft meist einen breiten Konsens über den Status als Baudenkmal. Bei einem einfachen landwirtschaftlichen Stall ist es für viele aber unverständlich. Wichtig sind hier klare, nachvollziehbare Aussagen. Warum ist ein Baudenkmal ein Denkmal? Das muss verständlich gemacht werden und ist auch ein Stück Vermittlung unserer Geschichte. Erst wenn ich verstehe, was das Besondere, Schützenswerte an meinem Haus ist, kann ich verstehen, warum der Eingriff nicht gerade an dieser Stelle sein kann. Hier muss man transparent machen, dass Denkmalpflege nicht der subjektiven Einschätzung eines Einzelnen unterliegt. Oft kommt es in unterschiedlichen Regionen zu unterschiedlichen Handhabungen. Das erzeugt Unmut. Klare Begründungen und einheitliche Standards sind wichtig. Ein roter Faden muss erkennbar sein. Darum ist auch der Denkmalatlas so wichtig. Hier kann für jedermann leicht zugänglich diese Info gegeben werden. Die Arbeit daran sollte unbedingt verstetigt werden, und das benötigt eben Personalressourcen. Das NLD als Denkmalfachbehörde sollte den roten Faden vermitteln, der dann in den Unteren Denkmalschutzbehörden umgesetzt wird.
Cornelia Höltkemeier: Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass das Thema Denkmalpflege isoliert kaum von der Öffentlichkeit angenommen wird. Zu überlegen wäre, im Format eines Storytelling das denkmalgeschützte Objekt von Fall zu Fall in einen geschichtlichen, regionalen, archäologischen oder auch touristischen Rahmen einzubetten. Berichte aus der Region über ein allen bekanntes Gebäude würden erfahrungsgemäß zu mehr öffentlichem Interesse führen als z. B. eine Zusammenstellung aller renovierten Fachwerkhäuser in ganz Norddeutschland in einer Broschüre.
Martin Krause: Damit die Themen Bauen im Bestand und Denkmalpflege auf ein größeres Interesse in der Bevölkerung stoßen, ist durch die Thematisierung von Gestaltung, Architektur und Denkmalschutz im Schulunterricht zunächst für ein grundlegendes Verständnis zu sorgen. Die bestehenden Initiativen von Architektenkammern, Denkmalfachbehörden oder der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in dieser Richtung verdienen Unterstützung.
Christina Krafczyk: „Die Art wie wir das Kulturerbe heute nutzen, pflegen und schützen,“ so beschreibt es die Davos Declaration 2018 zum Leitthema Baukultur „wird entscheidend sein für die zukünftige Entwicklung einer gebauten Umwelt von hoher Qualität.“ Der Umgang mit dem Bestehenden, den hochwertigen Kulturdenkmalen sowie den nicht geschützten qualitätvollen Baubeständen wird kulturell und ökonomisch eine immer wichtigere Rolle einnehmen, wenn es um das Erreichen unserer Klimaziele geht. Wir müssen Vorurteile ausräumen und sichtbar machen, dass Denkmalpflege keine Nischendiskussion führt, sondern für langfristiges Denken, Resilienz und Dauerhaftigkeit steht.
Was ist Ihre Zwischenbilanz nach anderthalb Jahren „System Denkmalpflege“?
Rita Hoheisel: Der Impuls des NLD, sich hier gemeinsam auf den Weg zu machen, hat einen breiten Anklang gefunden. Viele unterschiedliche Partnerinnen und Partner aus dem Bereich der Denkmalpflege sind vertreten und bringen sich engagiert ein. Das ist sehr positiv und zeigt doch eine gemeinsame Zielsetzung. In unserer AG war uns sehr wichtig, Handlungsfelder aufzuzeigen, die optimiert werden können und daraus einen gemeinsamen Appell zur Verbesserung von Denkmalschutz und Denkmalpflege zu formulieren. Dies wurde sehr positiv aufgenommen und zeigt die Offenheit und Diskussionsbereitschaft aller Beteiligten an unserer gemeinsamen Denkmalbaustelle.
Cornelia Höltkemeier: Eines der Hauptverdienste des Systems Denkmalpflege war, dass sich viele Akteurinnen und Akteure erstmalig und sehr offen und motiviert zusammengefunden haben. Neben dem ursprünglichen Ziel, der Erarbeitung von Handreichungen, freue ich mich über die Einigkeit in folgender Frage: Das Thema „Bauen im Bestand“ muss stärker in den Fokus gerückt werden, wenn man die Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung des Denkmalschutzes verbessern will. Eine wichtige Forderung war daher die Verankerung des Themas in der universitären Ausbildung, eine andere das Thema Aus- und Weiterbildung, das im aktuellen Projekt mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ja jetzt umgesetzt wird. Martin Krause: Es wurde deutlich, dass es ein gemeinsames Anliegen der verschiedenen Interessengruppen ist, die Bedeutung des Bauens im Bestand und der Denkmalpflege stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken – auch als wirtschaftlich lohnendes Betätigungsfeld von Planenden und Ausführenden.
Wie geht es weiter?
Christina Krafczyk: Im Kontext des Systems Denkmalpflege entstand zunächst die Publikation von Uta Hassler „Bauen und Erhalten“. In einführenden Texten werden nicht nur etablierte Vorgehensweisen und Beispiele für Dokumentation, Analyse und Wissenserwerb, sondern auch generelle Fragen des Umgangs mit dem Bestand diskutiert: die Notwendigkeit von Qualitätsurteilen und die Verantwortung von Fachleuten und politischen Akteurinnen und Akteure für die gebaute Umwelt. Im Frühjahr werden wir das System Denkmalpflege mit Gesprächen in den Regionen Lüneburg, Oldenburg, Braunschweig und Hannover erweitern, um die zentralen Aussagen des Appells zu schärfen. Dann beginnt auch die Umsetzung des Projekts „Denkmalpflege, Bauwerkserhaltung und Ressourcenschonung: Konzeption und Umsetzung eines zielgruppenorientierten Weiterbildungsprogramms im ‚System Denkmalpflege‘“ mit einem Kick-off-Workshop. Darüber hinaus hoffen wir natürlich, uns im Laufe des Jahres auch wieder persönlich treffen zu können.
Zum Abschluss: 2021 feiert das Bundesland Niedersachsen das 75. Jubiläum seiner Gründung. Haben Sie einen Geburtstagswunsch für den guten Umgang mit dem Kulturerbe in der Zukunft und die Rolle der Denkmalpflege dabei?
Cornelia Höltkemeier: Ich wünsche allen Akteurinnen und Akteuren in Niedersachsen, die im Bereich Planung, Ausführung und Denkmalschutzvorgaben Verantwortung tragen, den Mut und die Bereitschaft, bisherige Modelle der Zusammenarbeit zu optimieren. Auf diese Weise kann die Denkmalpflege einen noch größeren Beitrag zu unseren Nachhaltigkeitsanstrengungen im Bereich der Bau- und Ausbauwirtschaft leisten.
Rita Hoheisel: Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, die konstruktive Zusammenarbeit, die Kreativität und die Offenheit für neue Lösungen auf dem Gebiet der Denkmalpflege zu verstärken, daneben verständliche, nachvollziehbare Standards zu schaffen und so gemeinsam die Vielfältigkeit unseres kulturellen Erbes in Niedersachsen zu erhalten. Unsere Baudenkmale sind ein hohes Gut, ein Wirtschaftsfaktor und hervorragende Beispiele für Nachhaltigkeit. Das Engagement, für ihren Erhalt zu sorgen, sollte es dem Land auch wert sein, dieses angemessen durch Fördermittel zu unterstützen.
Christina Krafczyk: Ich wünsche dem großartigen Kulturerbe Niedersachsens und denjenigen die damit umgehen weiterhin Unterstützung von Gesellschaft und Politik und die gemeinsame Bereitschaft, die Werte bewahren zu wollen. Ich wünsche mir, dass es uns gemeinsam gelingt, sichtbarer zu machen, wie vorausschauend und relevant denkmalpflegerisches Denken, Wissen und Handeln im Zusammenhang mit den brennenden aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Klimawandel und Ressourcenschonung ist. Damit könnte die positive Wahrnehmung der Denkmalpflege in der Gesellschaft verstärkt werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Tobias Wulf
Der Text wurde erstmals veröffentlicht in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 41. Jg. (2021), Heft 1, S. 2-12.