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Überraschung an der Otto-Straße – Ein Grab aus der Jungsteinzeit in Nordhorn

Im Mai 2022 wurde mitten in einem Neubaugebiet in Nordhorn ein etwa 4700 Jahre altes Grab entdeckt und dokumentiert (ca. 2850 bis 2250 v. Chr.). Der außergewöhnliche Fund kam auf einem Grundstück an der Ottostraße zu Tage, wo zwei neue Häuser entstehen sollen. Der Bauherr S. Heispink hatte die Firma Melisch Archäologie aus Berlin mit den archäologischen Freilegungen beauftragt, nachdem die Grabungsfirma Denkmal 3D aus Vechta die Voruntersuchungen durchgeführt hatte. Bereits 2014 war auf den unmittelbar anschließenden Grundstücken eine größere Ausgrabung durchgeführt worden, die Siedlungen von der späten Bronzezeit bis ins Mittelalter ergab.

Nun stieß Grabungstechniker Ingo Jüdes an der Ottostraße aber auf deutlich ältere Befunde. Der erfahrene Ausgräber staunte nicht schlecht als er aus einer länglichen, dunkelbraunen humosen Verfärbung, offenbar einer Grabgrube, zuerst eine Steinklinge, dann ein Keramikgefäß und anschließend zwei Beile und einen Schleifstein hervorholte.

Die beiden Beile wurden offenbar auf einem ebenfalls mit ins Grab gegebenen Schleifstein angeschliffen. Jedenfalls zeigt der Schleifstein entsprechende Spuren, was die Frage aufwirft, ob die Beile vielleicht extra als Beigabe für den Toten hergestellt worden sind und warum man dann auch den Schleifstein, der wahrscheinlich noch gute Dienste hätte leisten können, mit ins Grab gab.

Da keine Knochen erhalten waren, kann man nur aus der Länge der Grabgrube von etwa 1,60 m auf 1,40 m ermitteln, dass hier wohl kein Säugling bestattet worden ist. Aber ob es sich um eine Kinderbestattung oder um ein Erwachsengrab handelte, können wir nicht mit Sicherheit feststellen. In der Steinzeit waren Hockerbestattungen üblich. Dabei lagen die Toten mit angezogenen Beinen auf einer Körperseite. Obwohl die Archäologie davon abgerückt ist, Grabbeigaben eindeutig geschlechtsspezifisch zu interpretieren, scheinen die gefundenen Beile und das Feuersteinmesser eher auf die Bestattung eines Mannes als auf die einer Frau hinzudeuten. Doch ohne Knochenerhaltung ist ein Beweis hier nicht möglich.

Nichtsdestotrotz hat sich in der Ottostraße ein äußerst seltener Befund erhalten – ein Grab der Einzelgrabkultur. Diese Kultur wurde so benannt, weil die Menschen ihre Toten damals nicht in Gräberfeldern beerdigten, sondern vereinzelt bestatteten. Einzelgräber werden deshalb selten gefunden. Möglicherweise wurden die Toten in der Nähe ihres Wohnortes bestattet oder vielleicht an dem Ort, an dem sie starben?

Mit dem Fund aus Nordhorn wird die regionale Fundchronik um eine wichtige Facette erweitert und es zeigt sich, dass die konsequente archäologische Begleitung auch von kleinen Bauflächen wichtige Ergebnisse zur Geschichte beisteuert.

Der Tote aus der Ottostraße hat viele tausend Jahre vor der Entstehung der Stadt Nordhorn gelebt, gefolgt von Menschen spätere Epochen. Offenbar waren die Flächen im Nordwesten der Stadt über tausende Jahren attraktiv für eine bäuerliche Bevölkerung. Sie waren zwar keine Nordhorner im eigentlichen Sinne, aber sie belegen, wie lange die Geschichte der Region zurückreicht und dass die heutige Landschaft von Menschen geprägt wurde, die hier vor Jahrtausenden lebten, auch wenn wir ihre Namen nie erfahren werden.

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