Der doppelte Schatz. Fachleute klonen Goldhort von Gessel
Die jetzt fertiggestellten Repliken des sensationellen bronzezeitlichen Fundes Gesseler Goldhort sind eine Weltneuheit.
Der Gesseler Goldhort, einer der größten mitteleuropäischen Goldfunde der Bronzezeit, wurde mit einem neuartigen Verfahren nachgebildet. Die innovativen Repliken ermöglichen neue wissenschaftliche Zugänge zu dem 3.300 Jahre alten Schatz. Sie werden ab Ende Juni zusammen mit drei originalen Stücken im Forum Gesseler Goldhort am Kreismuseum Syke zu sehen sein.
„Die von den originalen Fundstücken kaum zu unterscheidenden, mit modernster Technik gefertigten Repliken sind neben den verbliebenen Originalen Garant für eine fortdauernde Attraktivität des Forums Gesseler Goldhort, die durch zahlreiche Aktivitäten sogar noch gesteigert wird“, so Landrat Cord Bockhop. Der außergewöhnliche Neubau wurde im Oktober 2020 eröffnet. Er präsentiert neben dem Goldhort in einer facettenreichen Ausstellung die Lebenswelt der Menschen von der Steinzeit bis zur frühen Neuzeit, die Forschungsgeschichte des Goldfundes und die archäologischen Forschungstechniken und -methoden. Ein besonderes Element der Ausstellung ist das interaktive Mitmach-Labor im Erdgeschoss. Es lädt Besucherinnen und Besucher an sechs professionell ausgestatteten Labortischen ein, selber zu forschen und zu entdecken.
Das Original kehrt zum großen Teil zu seinem Leihgeber, dem Landesmuseum Hannover zurück. „Der ‚Goldhort von Gessel‘ stellt eines der umfangreichsten Fundensembles aus Edelmetall der mitteleuropäischen Bronzezeit dar. Für die Eröffnungsphase des beeindruckenden Museumsneubaus in Syke stellte das Landesmuseum Hannover diesen außergewöhnlichen Fundkomplex gerne als Leihgabe zur Verfügung“, so Prof. Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover.
Die Anfertigung der Repliken wurden vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege organisiert. „Wir konnten dafür Sascha Scheuermann und Denise Voigtländer von Clonstudios gewinnen, mit denen wir z.B. auch in unserem Moorleichenprojekt zusammengearbeitet haben. Sie haben bereits das seit Eröffnung in Syke gezeigte Kunststoffmodell des Gesamtensembles gefertigt“, sagt Landesarchäologe Dr. Henning Haßmann. Für eine exakte Kopie der filigranen Einzelobjekte musste ein neues Verfahren entwickelt werden, das auf einer Kombination aus Computertomogrammen (Dank an Fa. Yxlon in Hattingen), Laserscans und unterschiedlicher fotogrammetrischer Erfassung beruht. Die komplexen Daten mussten im Computer aufbereitet, die so erarbeiteten Modelle als Kunststoffreplikate im Rapid Prototyping-Verfahren ausgedruckt und die Oberflächen beschichtet werden. „Diese Herausforderung hat Clonstudios angenommen und erfolgreich gelöst“, so Haßmann.
Mit der dreidimensionalen Erfassung einiger Ketten aus ineinander gedrehten Goldspiralen stießen die erprobten Verfahren an ihre Grenzen. Das Fraunhofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS hatte angeboten, die Ketten mit den neusten Methoden an der Hochenergie-CT-Anlage computertomografisch so hochauflösend zu erfassen, dass auch von ihnen exakte Kopien angefertigt werden können. Diese Ergebnisse stehen noch aus.
Die Kosten für das neu entwickelte Verfahren übernahm das Land Niedersachsen. „Goldfunde wie der Hort aus Gessel mit seinen herausragenden Schmiedekünsten fesseln seit jeher den Blick“, so Björn Thümler, Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur. „Deshalb hat das Land Niedersachsen den Wunsch des Landkreises Diepholz aufgegriffen, diesen besonderen Fund vor Ort sichtbar zu machen. Mit der Kopie und der dauerhaften Präsenz einzelner Originale wird nach dem großartigen Auftakt im Museum Syke jedem und jeder Interessierten der Zauber bronzezeitlicher Goldschmiedekunst nahe gebracht.“
„Vergangenheit und Zukunft gehen in unserem Landkreis Diepholz Hand in Hand. In den Repliken des Goldhorts zeigt sich wie modernste Technik einen neuen Zugang in die Vergangenheit öffnet. Wir freuen uns, dass unser Schatz der Wissenschaft Anlass gibt, neue Wege zu beschreiten. Hier zeigt sich die Bedeutung unseres Schatzes“, sagt Museumsleiter Dr. Ralf Vogeding. „Das neue Verfahren macht den Goldhort ganz neu erfahrbar“, freut sich auch Kuratorin Nele Miethig. So ist eine Rekonstruktion des bekanntesten Stücks des Goldhorts, der Fibel, im „fabrikneuen“ Zustand wie vor 3.300 Jahren geplant. Ein vielfältigen Veranstaltungs- und Museumspädagogik-Programm erwartet die Besucherinnen und Besucher, sobald die Situation es wieder zulässt.
Mehr Informationen: www.forum-gesseler-goldhort.de